Zeitstrahl
Gründung von St. Petersburg
Anfang des 18. Jahrhunderts
Die ursprünglich in einem unbewohnten Sumpfgebiet im Nordwesten des Landes errichtete Stadt liegt an der Mündung des Flusses Newa an der Ostsee. Der russische Zar Peter I. ließ hier die erste Großstadt Russlands „am Meer“ entstehen – ein Zusammenhang, der die vielen städtischen Legenden und Mythen prägen sollte. Ein wichtiger Geburtshelfer der Stadt war zudem ein Krieg – Anfang des 18. Jahrhunderts bekriegten sich Russland und Schweden um den Zugang zur Ostsee und ihren Häfen. Der Große Nordische Krieg (1700–1721), in dem Russland sich gegen Schweden behaupten konnte, formte Petersburg als „Hauptstadt aus dem Nichts“. In den späteren Jahrhunderten wurde dieser Entstehungskontext als Öffnung des „Fensters nach Europa“ romantisiert.
Porträt Peters I
Hauptstadt des Russischen Zarenreichs
St. Petersburg war vom 18. bis ins 20. Jahrhundert die Hauptstadt des Russischen Zarenreiches und spielte zusammen mit Wien, London, Paris und Berlin in einer großimperialen Liga.
Znamenskaya Platz, Sankt Petersburg, 1909-1914
Wiege der Revolution
Nach dem Zerfall des russischen Imperiums durch die Russische Revolution 1917 gewann die Stadt einen neuen Gründungsmythos hinzu: Sie wurde zur Wiege der ersten sozialistischen Revolution auf Erden und somit zum Sehnsuchtsort aller Linken im Westen.
Ein Standbild aus einem Spielfilm über die Einnahme des Winterpalastes im Oktober 1917
Umbenennung in Leningrad
St. Petersburg hieß ab 1924 Leningrad, zu Ehren des Anführers der Kommunistischen Partei Russlands Vladimir Lenin. Im Russischen Bürgerkrieg verlor sie ihren Hauptstadtstatus an Moskau. Die gegenseitigen Ressentiments zwischen den Leningradern und Moskauern wurden seitdem als kulturelle Codes hier und dort angeeignet, nicht zuletzt, weil sie seitens der Moskauer Parteielite zu den gewalttätigen politischen Säuberungen an den Leningradern führten.
Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion
Die deutschen Truppen erzielten anfangs große militärische Erfolge und drangen schnell ins Landesinnere vor.
Evakuierung von Kindern
Beginn der Blockade und des Hungers
Mit der Schließung des Blockaderings am 08. September wurden alle Versorgungslinien von Leningrad abgeschnitten. Die Versorgung war nur noch über den Ladogasee möglich. Durch Luftangriffe wurde ein Großteil der Nahrungsmittelvorräte vernichtet, zudem brach der Winter ungewöhnlich früh ein. Die Rationen sanken im Oktober auf 400 Gramm Brot für Arbeiter, 200 Gramm für Kinder und Frauen.
Transport eines Toten über den Prospekt, 25. Oktober, Leningrad, 1941/43
Straße des Lebens
Zur weiteren Evakuierung wurde am 19. November 1941 die Einrichtung der Autostraße über den Ladogasee vom Militärrat der Leningrader Front entschieden. Die erste Autokolonne ging bereits am 22. November über das Eis. Sie brachte Menschen heraus und Brot in die Stadt hinein. Doch es fehlte an Autos, die die Menschen über den See transportieren konnten. Leningrader mussten in den Siedlungen am Westufer von Ladogasee tagelang ausharren, einige versuchten, selbständig zu Fuss auf die gegenüberliegende Seite des Sees zu gelangen und erfroren unterwegs.
Beginn des Hungerwinters
Evakuierung der Stadtbevölkerung
An Erwachsenen evakuierte man in erster Reihe Facharbeiter, Ingenieure, Betriebsverwalter, Sowjet- und Parteibeamte. Bis zur Eröffnung der „Straße des Lebens“ über den Ladogasee wurden Leningrader per Schiff und Flugzeug aus der Stadt evakuiert. Somit war die Zahl der Evakuierten begrenzt: ca. 30.000 gelang es, die eingekesselte Stadt zu verlassen.
Erst Ende Januar 1942 begann dann die Massenevakuierung über die Autostraße auf dem zugefrorenen Ladogasee. Sie funktionierte bis April 1942. Der Weg der Evakuierten ging über mehrere Stationen und war ungemein mühsam und riskant. Besonders gefährlich war die Fahrt mit der Bahn von Leningrad bis zum Ladogasee: Die Züge wurden gnadenlos von Deutschen beschossen und bombardiert. Die unbeheizten Züge mit ausgemergelten, erschöpften Menschen konnten sich nur langsam fortbewegen − viele starben unterwegs. Insgesamt wurden auf den Eisenbahnstationen Borisova Griva und Ladozhskoe Ozero fast 3.000 Menschen, die in den Zügen starben, beigesetzt. Jene, die lebend ankamen, verbrachten weitere Stunden und gar Tage beim Warten in den kalten Wartehallen der Eisenbahnstation auf die Autos, die sie über den Ladogasee transportierten.
Evakuierung von Menschen aus dem belagerten Leningrad
Weitere Evakuierungen
Zweite Welle der Evakuierung über den Ladoga-See (ca. 650 Tausend Menschen verließen die Stadt).
Leningrader Sinfonie
Uraufführung der Leningrader Sinfonie von Dmitrij Schostakowitsch (7. Sinfonie in C-Dur) in der Leningrader Philharmonie. Die Vorstellung wurde in der ganzen Sowjetunion übertragen und über Kurzwellenradio auch ins restliche Europa und in die USA. Dieses dramatische Musikstück trauerte um die Opfer und ehrte den militärischen Widerstand der Stadt.
19. August bis 10. Oktober 1942
Versuche der Roten Armee, nun unter Leitung des Generals Leonid Goworow, die Stadt zu befreien. Die Deutschen können ihre Positionen jedoch halten.
„Operation Iskra“
Die Rote Armee kann die deutschen Befestigungsanlagen überwinden und die Blockade durchbrechen („Operation Iskra“): Die Leningrader Front kann sich mit dem Wolchower Front vereinen. Ein schmaler Luftkorridor in die Stadt wurde geöffnet.
Ende der Blockade
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt insgesamt 871 Tage lang von deutschen Truppen belagert. Die Belagerung der Stadt, die keinem militärischen Ziel folgte, wird in der deutschen Zeitgeschichte als Teil des Raub- und Vernichtungskriegs im Osten thematisiert. Hier sollte die Bevölkerung gezielt ausgehungert werden.
Befreiung
Leningrader beim Feuerwerk aus Anlaß des Kriegsendes, Leningrad, 9. Mai 1945.
Juni 1944 – August 1944
Im Norden werden die Finnen zurückgedrängt.
Sieg der Alliierten
Am 8. und 9. Mai 1945 erfolgte in Berlin die bedingungslose Kapitulation NS-Deutschlands.
Eröffnung des ersten Blockade-Museums in Leningrad.
Im Zuge der politischen Säuberungen der Stadtführung durch Stalin, bekannt als die “Leningrader Affäre”, wurde das Blockade-Museum liquidiert.
Am 9. Mai 1960 wurde die Gedenkstätte Piskarevo mit einem Ehrenfriedhof für die etwa 600 Opfer der Blockade eröffnet.
Am 8. Mai 1965 wurde Leningrad mit dem Lenin-Orden und dem Goldenen Stern ausgezeichnet, der höchsten sowjetischen Ehrung für eine Stadt im Zweiten Weltkrieg.
Blockademuseum
Am 23. Januar 1989 wurde die Auszeichnung „Für den Bewohner der belagerten Stadt Leningrad“ ins Leben gerufen, eine Ehrung für Zivilisten, die während der Blockade Leningrads in der Stadt eingeschlossen waren.
Im selben Jahr erfolgte die Wiedereröffnung des Blockademuseums.
Rückbenennung in St. Petersburg
Erstmalige Entschädigung für Blockadeopfer
Erste deutsche Entschädigung für die Blockadeopfer, jedoch nur für die jüdischen Überlebenden.
Blokadniki-Krankenhaus
Zusage des deutschen Außenministeriums für zwölf Millionen Euro für ein Hilfsprojekt in der Stadt.
Erinnerung heute
Denkmal “Straße des Lebens”